21. Türchen: Maximilian Kolbe

Es ist der 29. Juli 1941. Unter den Häftlingen des Konzentrationslagers Auschwitz geht flüsternd ein Gerücht von Mund zu Mund: Einem der Häftlinge ist die Flucht gelungen.

Würde nun der Kommandant des Lagers seine Drohung wahrmachen und aus dem Block des Geflüchteten zwanzig andere Männer zum Tod in den Hungerbunker schicken? Dann wären es die vom Block 14a. Die Anspannung für die Gefangenen war unerträglich. Besonders die Männer des genannten Blocks hatten quälende Angst. Sie kennen das Krematorium, zu dem täglich die Toten gebracht werden. Sie kennen auch den „Hungerbunker“ – jenen nassen, unterirdischen Raum, in den die Verurteilten hineingestoßen werden – nackt, ohne Essen und Trinken, mitten unter Sterbende und Gestorbene. Dort warteten sie dann viele Tage auf den eigenen Hungertod. Wird das auch ihr Schicksal sein? Da schrillt die Pfeife. „Block 14a heraustreten!“ Also doch! Draußen auf dem düsteren Hof wartet der Lagerkommandant. Sein Gesicht ist finster. „lhr wisst, was geschehen ist. Einer aus eurem Block ist geflohen.“ Er kommt einige Schritte näher und blickt in die bleichen, starren Gesichter: „Im Block 14 sind gute Arbeiter.“ Er mustert die Häftlinge. „Darum will ich Nachsicht üben und – nur zehn zum Hungertod verurteilen.“ Er tritt dicht an die Männer heran, sucht die Opfer aus. Er wählt die Schwächsten. Die Nummern werden notiert – akribisch und nüchtern als handle es sich lediglich um Rechenübungen. Schließlich steht er vor Maximilian Kolbe. Er ist erst im Februar des Jahres in das Lager gekommen. Kolbe ist 47 Jahre alt und kräftig. Er mustert ihn. Der Kommandant geht vorüber. Unter seinem prüfenden Blick hämmern die Herzen der Männer, vor denen er stehenbleibt. Wieder ruft er eine Nummer: „5659!“Da schreit der Häftling: „Meine Frau! Meine Kinder!“ Ungerührt wendet sich der Lagerkommandant zum Nächsten.

Doch einen hat das verzweifelte Rufen und Schluchzen tief getroffen: Maximilian Kolbe. Er ist Priester, und war bis jetzt immer für die Leute da.

Von einem Überlebenden des Lagers wurde berichtet, dass Kolbe ganz anders war: „Seine Augen strahlten Güte und Nächstenliebe aus. Trotz strengen Verbots sprach er mit uns und ermutigte uns zum Durchhalten. In einem Todes- und Vernichtungslager, in dem viele nur sich selbst retten wollten, sah ich plötzlich einen guten Menschen, der sich für andere einsetzt, frei von jedem Egoismus.“

Kolbe wollte dem Verzweifelten beistehen, ihm und den anderen helfen. Doch er kann es nicht. Kann er es wirklich nicht? Er dachte daran, dass schon einmal jemand anderes seinen eigenen Platz einnehmen wollte. Konnte er das Gleiche nun für diesen Mann tun? Er selbst hatte keine Frau, die ihn vermissen würde, keine Kinder, die ohne ihren Vater aufwachsen müssten. Und wer weiß, vielleicht würden sie hier eines Tages alle rauskommen? Doch alles in ihm sträubt sich dagegen, in den Hungerbunker zu gehen. Keiner auf dem Hof ahnt, welchen heftigen inneren Kampf Maximilian Kolbe durchmacht. Inzwischen hat der Kommandant Fritzsch die übrigen Reihen abgeschritten und die letzten aufgerufen. Nun werden die Genannten aus den Reihen gezerrt: „Ab zum Hungerbunker!“ Kolbe darf mit den Übrigen des Blocks in die Baracke zurückkehren. Da geschieht das völlig Unerwartete, geradezu Groteske und Unerhörte. Es war streng verboten, die Reihe zu verlassen – dennoch drängt sich ein Häftling nach vorn und tritt vor den Kommandanten: Pater Maximilian Kolbe.

Der Kommandant wollte gerade weitergehen, doch dann bleibt er verwundert stehen. Ein solcher Übermut eines Häftlings ist für die Aufseher und für die Häftlinge unverstellbar; das ist Selbstmord. Fritzsch reagiert und fragt: „Was will das polnische Schwein?“ sehr deutlich auf Deutsch antwortet Kolbe: „Ich will an seiner Stelle sterben!“ Und er zeigt mit der Hand auf den Häftling, von dessen Schreien er so tief bewegt war. Fritzschs Verwunderung wächst. Er fragt: „Wer bist du?“ – „Ich bin ein katholischer Priester“, antwortet der Häftling mit ruhiger Stimme. „Warum willst du an seiner Stelle sterben?“ – „Er hat Frau und Kinder“, antwortet der Priester sachlich.

Alle warten schweigend auf die Entscheidung. Von dieser Entscheidung hängt alles ab: Ob der Verurteilte noch einige Zeit leben wird, ob der Mutige zurück in die Reihe kommt oder ob beide zusammen den Hungertod sterben werden. Fritzsch kann und darf buchstäblich alles. Jeder seiner Befehle wird augenblicklich ausgeführt. Er kann sie beide töten lassen, selbst erschießen oder ihnen das Leben schenken. Es fällt der Befehl – es ist nur ein Wort, aber bedeutungsvoll: „Gut.“ Fritzsch zeigt mit der Hand, dass Pater Maximilian zu den anderen Verurteilten gehen soll. Ein anderer Aufseher streicht die Nummer des Familienvaters durch, 5659, und befiehlt dem Häftling, zurück in die Reihe zu treten. Der Häftling Nr. 16670, Pater Kolbe, geht zu der Gruppe der Verurteilten.

Als Kolbe zu den übrigen in den feuchten unterirdischen Bunker hinabgestoßen wird, will ihn das Grauen packen. Da ist er nun mitten im Elend der Gemarterten, konfrontiert mit der Wut der Bittergewordenen. Er sieht, wie die Menschen mit dem Hungertod ringen. Es dauert lange, bis einer vor Hunger, Kälte und Todesangst das Bewusstsein verliert und stirbt. Die Tage verfließen langsam. Wie Ertrinkende klammern sich die Opfer aneinander, Qual in den gezeichneten Gesichtern. Keiner kann dem anderen helfen. Pater Kolbe tritt zu den Verzweifelten, versucht, sie zu ermutigen und ihnen in diesen schrecklichen Stunden noch von Jesus Christus zu erzählen und von der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod.

Als auch er immer schwächer wird, an seinem christlichen Glauben zweifelt, Hassgefühle empfindet, betet er umso mehr, dass Gott ihm die Kraft zum Durchalten schenkt. Er ringt für sich und die, die ihm anvertraut sind. Er betet mit den Zusammengebrochenen, er redet mit denen die noch sprechen können; und das nicht umsonst. Die Wächter vor dem Todesbunker hören statt der bisher üblichen tobenden Anfälle und Schreie christliche Choräle. Lieder, die von der Kraft des auferstandenen Jesus Christus reden. Es scheint paradox – mitten in einer Zeit, die gezeichnet ist von Krieg, Massenmord, Tod und Leid lässt sich der Glaube einfach nicht bezwingen und lässt die Menschen gegen alle Widerstände hoffnungsvoll sein. Viele der mit Kolbe verurteilten finden durch den Glauben an Jesus Christus Hoffnung auf ein herrliches Leben nach dem Tod. Sie können aus Dankbarkeit Lieder singen, für das, was Jesus einst für sie getan hat.

Am 14. August 1941 sind sechs der Schicksalsgenossen von Pater Kolbe dem Hunger und der Kälte erlegen. Die drei Übrigen kämpfen mit dem Tod. Aufrecht sitzt Kolbe zwischen ihnen. Er bittet Gott um Gnade, ihm durch die schwerste Stunde zu helfen. Er ruft zu ihm mit den gleichen Worten, die Jesus damals am Kreuz gesagt hat: „Vater vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun!“ Schließlich bleibt er als Letzter übrig in seinem Kampf mit dem Tod. Das dauert dem Henker zu lange. Er gibt Kolbe eine Spritze mit Gift, woran er innerhalb kürzester Zeit stirbt.

Der Tagesablauf im Lager war wieder wie gewöhnlich. Aber etwas hat sich verändert. Ein Überlebender beschreibt es so: „Alles hatte eine andere Qualität. Das ganze Lager sprach von nichts anderem, weil doch alles für die Häftlinge unfassbar war. Die Tat von Pater Maximilian hat alle erschüttert. Das Gebot der Nächstenliebe hatte seine Bedeutung wiedererlangt. Die Hoffnung auf das Überleben war wiedererwacht. Die Beziehungen untereinander scheinen freundlicher geworden zu sein.“

Der Häftling, für den Kolbe eingetreten und in den Tod gegangen war, hat die Zeit des Lagers überlebt. Am 25. Oktober 1944 wurde er von Auschwitz in das KZ Sachsenhausen gebracht, wo er 1945 von den Alliierten befreit wurde. Er konnte später in seine Heimat zurückkehren. Er bewahrte das Andenken an seinen Retter ein Leben lang mit großer Dankbarkeit. Er starb im März 1995 im Alter von 93 Jahren.[1]


Als der Familienvater für den Hungerbunker ausgewählt wurde, erinnerte sich Pater Maximilian Kolbe daran, dass jemand stellvertretend für ihn selbst gestorben war. Er wurde gegeißelt und starb dann einen grausamen Tod am Kreuz – das war Jesus Christus.

In diesem Moment auf dem Appellplatz spürte er große Dankbarkeit für das, was Jesus für ihn getan hatte. Zugleich hatte er den Gedanken, dass er dem Vorbild von Jesus folgen könnte, und selbst sein Leben für jemand anderes opfern könnte. Er wollte dem anderen Häftling, einem Familienvater, die Chance geben, seine Familie wiederzusehen. So etwas tut normalerweise niemand, Gott hat ihm den Mut dazu geschenkt. Auch im Hungerbunker spürte er Gottes Nähe, Trost und Kraft und konnte durchhalten, ja sogar den Anderen helfen. Die Qualen waren auch für ihn schlimm und er konnte den Anderen nicht den Hunger und die Schmerzen wegnehmen.

Doch er konnte weitergeben, was er hatte, nämlich die tiefe Geborgenheit in Gott und die Gewissheit, dass er nach dem Tod bei Gott im Himmel sein wird, wo es keinen Hunger, keinen Krieg, keine Arbeitslager, keine Angst, keinen Hass und keine Schmerzen mehr geben wird. Er kannte Gott und hatte eine persönliche Beziehung zu ihm und freute sich darauf, mit Gott zusammen die Ewigkeit zu verbringen. Diese Hoffnung teilte er mit den anderen.

Auch sie fingen an zu beten und ihr Leben Gott anzuvertrauen. Sie wurden befreit von der Angst, was nach dem Tod kommt und bekamen Gewissheit – einen tiefen inneren Frieden und das Wissen, dass sie bald bei Gott sein werden.

Natürlich ist diese Situation mit nichts zu vergleichen, was heutzutage irgendjemand in Deutschland erleben muss.

Und dennoch haben auch heute viele Menschen Angst vor dem Tod und davor, was nach dem Tod kommt. Gerade jetzt mitten in einer Pandemie ist diese Angst für viele präsenter denn je. Selbstverständlich sind auch gläubige Christen, die eine Beziehung zu Gott haben, nicht immun gegen Corona, auch sie werden nicht von Corona und Leid verschont. Doch wir müssen keine Angst vor dem Tod haben, da wir wissen, wie es nach dem Tod weitergeht: Wir werden die Ewigkeit mit Gott, unserem Schöpfer verbringen. Und darauf freuen wir uns!

Wenn du nicht weißt, was mit dir nach dem Tod passiert oder wenn du an Gott glaubst, aber noch nicht diesen tiefen Frieden in dir hast und die tiefe Gewissheit, dass du die Ewigkeit mit Gott verbringen wirst, dann kannst du heute zu Gott sagen, dass auch du gerne diesen tiefen Frieden und diese tiefe Gewissheit haben möchtest.

An Weihnachten feiern wir, dass Gott in Jesus auf die Erde kam. Wir wissen, dass er auf die Erde kam um für uns zu sterben. So wie Maximilian Kolbe für den anderen Häftling in den Hungerbunker gegangen ist und es jedem klar war, dass er dort sterben wird. So ist es uns allen klar, dass Jesus, für uns gestorben ist.

Der Familienvater in dem Konzentrationslager hatte allen Grund zur Dankbarkeit, schon als Kolbe in den Hungerbunker hinunterging und nicht erst, als er gestorben war. Genau deshalb feiern wir Weihnachten. Wir feiern, dass jemand für uns „hinunter“ ging – nicht vom Lager in den Hungerbunker, sondern vom Himmel runter auf die Erde. Er ging hinunter, um zu sterben.

Warum Jesus für uns sterben musste, erkläre ich übrigens mit der Geschichte Die Legende von Fürst Schamyl bei Türchen Nr. 18 und in der Geschichte bei Türchen 11, Der König und die Puppe.


Wenn du möchtest, kannst du nun mit Gott reden. Du kannst zum Beispiel Sätze wie diese beten:

 „Danke Jesus, dass du für mich den herrlichen Himmel verlassen hast um als Mensch auf die Erde zu kommen. Danke, dass du für mich gelitten hast. Ich möchte den Tausch annehmen, dass du an meiner Stelle gelitten hast und für mich gestorben bist. Gott du siehst, wo ich leide. Bitte gib mir Kraft, alles durchzustehen. Sei bei mir und gib mir Trost und Geborgenheit, Hoffnung und tiefen inneren Frieden. Ich weiß nicht genau, was mit mir nach dem Tod passiert. Ich habe Angst vor dem Tod. Ich möchte gerne nach dem Tod zu dir in den Himmel. Ich möchte dich auch jetzt schon kennen lernen und mit dir leben.“




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Rainer Brose

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      [1] Für eine bessere Lesbarkeit und aufgrund der vielen verwendeten Quellen ist eine detaillierte Quellenangabe nicht wie gewohnt direkt im Fließtext sondern hier zu finden. Der Basistext beruht auf einem Bericht von Werner Preus, alle anderen Quellen wurden eingearbeitet. Die Originaltexte wurden an vielen Stellen sprachlich angepasst. Folgende Quellen wurden verwendet: https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-maximilian-kolbe-100.html; Das Leben wurde wieder kostbar. Erinnerungen von Michal Micherdzinski an Maximilian Kolbe (PDF). Reihe Porträts engagierter Christen, Erzdiozöse Freiburg. Online: http://www.berufe-der-kirche-freiburg.de/html/media/dl.html?v=363658; https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-maximilian-kolbe-100.html; https://de.wikipedia.org/wiki/Franciszek_Gajowniczek; https://de.wikipedia.org/wiki/Franciszek_Gajowniczek#cite_note-Franciszkanie-1

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