Was heißt hier eigentlich „verloren“?

Wenn ich mein Handy verloren habe, dann weiß ich nicht mehr, wo es ist. Wenn ein Mensch verloren ist, heißt dass dann, dass Gott nicht mehr weiß, wo dieser Mensch ist? Hat Gott den Überblick verloren?

Sicher nicht! Gott weiß ganz genau, wo jeder Mensch ist! Was es auch nicht heißt: Kein Mensch ist jemals nicht weit weg von Gott. ((Nein, doppelte Verneinungen heben sich nicht gegenseitig auf!)) Gott ist überall und weiß alles. Der Psalmist schreibt in den wunderschönen Worten:

Wohin soll ich gehn vor deinem Geist, wohin vor deinem Antlitz entlaufen! Ob ich den Himmel erklömme, du bist dort, bettete ich mir das Gruftreich, da bist du. Erhübe ich Flügel des Morgenrots, nähme Wohnung am hintersten Meer, dort auch griffe mich deine Hand, deine Rechte faßte mich an.

Psalm 139,7-10 (Buber-Rosenzweig Übersetzung)

Bitte entschuldigt das etwas altbackene Deutsch, ich liebe diese Übersetzung einfach!

Viele werden ganz schlicht sagen: „Das heißt, dass jemand in der Hölle landet!“. Jesus hat das anders gesehen. Für ihn war es etwas sehr reales und gegenwärtiges, nichts Spekulatives und auf die Zukunft gerichtetes. In Lukas 19,10 sagt er über sich selbst: „Der Sohn des Menschen ist gekommen zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ – er sucht nicht das, was eines Tages in einer fernen Zukunft verloren gehen wird, sondern was hier und jetzt schon verloren ist. ((Exkurs Für alle Sprachnerds und Altgriechisch-Fans unter uns: „Was verloren ist“ heißt im Original τὸ ἀπολωλὸς – Das Verb ἀπόλλυμι steht hier im Partizip Perfekt, es kann hier am besten mit einer Vorzeitigkeit ausgedrückt werden „das was verloren gegangen ist“ – es ist resultativ „es ist verloren gegangen – und damit jetzt verloren“))

John Ortberg schreibt dazu:

Ich habe früher immer geglaubt, dass sich das „verloren“ den Bestimmungsort, dass Ziel bezieht und nicht auf den augenblicklichen Zustand. Dabei ist der augenblickliche Zustand das eigentliche Problem. Wenn ein Auto nicht mehr funktioniert, spielt es keine Rolle ob es auf dem Schrottplatz steht oder in der Tiefgarage eines Luxushotels. Wir sind nicht etwa deshalb verloren, weil wir einmal am falschen Ort landen werden. Wir werden am falschen Ort landen, weil wir verloren sind. … Und genau das ist gemeint, wenn wir sagen, dass jemand seine Seele verliert. Wir haben es nicht mit einer kosmischen Drohung zu tun, sondern eine klinische Diagnose. Es bedeutet nicht: „ich könnte eines Tages an diesem Ort enden.“ Es bedeutet: „ich könnte zu einem solchen Menschen werden.“ Wenn ich eine verlorene Seele bin, dann spielt es überhaupt keine Rolle, in welcher Umgebung ich mich befinde. ((Ortberg, John 2015. Hüter meiner Seele – Ordne die verborgene Welt deiner Seele – sie ist das wertvollste, das du hast. Asslar: Gerth Medien. S. 84-85, Hervorhebung R.B.))

Wenn wir uns also um Menschen kümmern, die Jesus nicht kennen dürfen wir also nicht nur darüber reden, wie man in den Himmel kommt. Es geht vielmehr darum, dass Gott den Menschen im Hier und Jetzt begegnet, ihre Wunden heilt, ihre Seelen wiederherstellt. Evangelisation ist das Beste, was wir für Menschen in dieser Welt tun können – nicht nur das Beste für ihr Leben nach dem Tod.

Buchempfehlung: John Ortberg – Hüter meiner Seele

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